A) Geschichte und Politik (1923-)
Publikationen, die im Allgemeinen Quellen zur Geschichte des Osmanischen Reichs und der Türkei enthalten, bilden einen großen Bereich unserer Sammlung. Daneben erwerben wir zahlreiche Sekundärliteratur zu spezifischen Themen der türkischen Geschichte:
Die Geschichte der modernen Türkei beginnt mit dem Niedergang des Osmanischen Reiches und dem sog. Unabhängigkeitskrieg, als dessen Facette der Griechisch-Türkische Krieg 1919-1922 oft getrennt behandelt wird.
Die Gründung der Republik ist eng mit der Person Mustafa Kemal Atatürks verbunden, dessen Staatsdoktrin allgemein als Kemalismus bekannt und selbst auch Gegenstand der Forschung ist. Charakteristisch für die kulturelle Neuausrichtung unter Atatürk und prägend für viele Jahrzehnte bis heute war der Laizismus in der Türkei. Aus dessen Spannungsverhältnis zum politischen Islam in der Türkei entwickelten sich viele Konfliktfelder, die die türkische Politik bis heute prägen. Seit den sechziger Jahren des 20. Jh. konkurrierten aber auch Richtungen wie der Sozialismus und rechtsradikale Strömungen um Einfluss in der Türkei. Der Nationalismus, ursprünglich Bestandteil des Kemalismus, bleibt ein weiteres wichtiges Forschungsfeld der Türkeiforschung, ebenso der Panturkismus. Auch Bewegungen wie die sog. „Grauen Wölfe“ oder die in den 80er und 90er Jahren prominente Milli Görüş bilden wichtige Themen.
Ideologische Strömungen manifestieren sich seit Ende der Einparteienherrschaft im Programm der vielen politische Parteien, die die Geschicke der Türkei seit 1945 bestimmen. Halle besitzt zahlreiche Parteiprogramme, Wahlkampfbroschüren und ähnliches Quellenmaterial zu türkischen Parteien, insbesondere, aber nicht nur, zu den prominenten wie (in chronologischer Reihenfolge) der CHP, Demokrat Parti, MHP, Anavatan Partisi, Refah Partisi oder AKP.
Viele diese Parteien sind von Einzelpersönlichkeiten geprägt worden, über die zahlreiche Studien vorliegen wie z.B. İsmet İnönü, Adnan Menderes, Süleyman Demirel, Necmettin Erbakan, Alparslan Türkeş, Turgut Özal, Bülent Ecevit oder Recep Tayyıp Erdoğan.
Gekennzeichnet ist die jüngere türkische Geschichte nach dem Zweiten Weltkrieg nicht zuletzt durch mehrere Interventionen des Militärs mit weitreichenden politischen und sozialen Folgen. Hierzu liegen zahlreiche Studien aber auch Erlebnisberichte von Betroffenen vor. Dies gilt für den Putsch von 1960, den Putsch von 1971, den Putsch von 1980, den sog. 28. Şubat, sowie jüngst den Putschversuch von 2016, aber auch für die Ereignisse rund um die Gezi-Park Proteste 2013. Generell erscheint zu den Themen Verhältnis Militär und Politik, politische Gewalt in der Türkei, derin devlet, Ergenekon und ähnliche Prozesse sowie der Auseinandersetzung mit der PKK viel Literatur, die von Halle gesammelt werden konnte.
Daneben wurden zur politischen Kultur, zur Europapolitik, zur türkischen Außenpolitik generell oder z.B. zu NATO-Fragen zahlreiche Studien erworben. An Bedeutung gewinnen auch Darstellung zur Auswirkung des Bürgerkriegs in Syrien auf die türkische Politik. Viele Erwerbungen betreffen auch die Themen Wahlen, Parlamentarismus, Demokratie oder kommunale Politik.
In nennenswertem Umfang erscheinen Autobiographien von Zeitzeugen zu einer Vielfalt von Themen. Manche sind regional gebunden, insbesondere Erlebnisberichte aus und über Istanbul sind ein beliebtes Sujet. Generell weist die Sammlung zahlreiche stadtgeschichtliche Publikationen auf, die oft auch einen narrativen persönlichen Charakter haben, allen voran zu Istanbul, Izmir, Ankara, Bursa, Diyarbakır, Trabzon, Kayseri oder Konya.
Aber auch ganze Regionen wie Südostanatolien, die Ägäis oder die Schwarzmeerregion stehen immer wieder im Mittelpunkt von Studien. Zu manchen Provinzen, in denen sich wichtige historische Ereignisse abgespielt haben, wie z.B. Tunceli und dem Dersim-Aufstand, liegen ebenso eine größere Zahl von Abhandlungen vor.
Von besonderer Bedeutung bleibt auch das Thema der griechisch-türkischen Beziehungen und hier besonders der Bevölkerungsaustausch der 1920er Jahre sowie das Problem der türkischen Minderheit in Westthrakien. Insbesondere zum Zypernkonflikt wurden viele Publikationen erworben (auch aus Nordzypern) sowie zur Geschichte und Kultur der Türken Zyperns.
Die Türkische Republik in Jahrzehnten:
- 20er Jahre und folgende [hier auch: Gründung der Republik bis heute]
- 30er Jahre und folgende
- 40er Jahre und folgende
- 50er Jahre und folgende
- 60er Jahre und folgende
- 70er Jahre und folgende
- 80er Jahre und folgende
- 90er Jahre und folgende
- 2000er Jahre
B) Religion
Die Thematik Islam in der Türkei allgemein liefert aus naheliegenden Gründen eine sehr große Treffermenge. Daneben weisen unsere Bestände auch zahlreiche Studien zu speziellen Vertretern islamischer Strömungen auf wie zu Said Nursi und der von ihm begründeten Bewegung Nurdschuluk, aber auch zu Fethullah Gülen und der Gülen-Bewegung, oder historisch zu
Şeyh Sait und der mit ihm verbundenen Aufstandsbewegung. Des weiteren sind die Aleviten (und Bektaschis) immer wieder Gegenstand der Forschung.
Neben dem Islam und seinen Ausrichtungen finden sich auch Werke zu Orientalischen Kirchen des Ostchristentum sowie zum Judentum als Religion [auch bereits das Osmanische Reich betreffend].
Zudem gibt es eine Reihe von Einzeluntersuchung zu religionssoziologischen Fragen.
C) Gesellschaft
Sozialwissenschaftliche Fragestellungen aber auch ethnologischen Themen nehmen ein breites Spektrum unserer Erwerbungen ein. Dies betrifft z.B. Fragen der städtischen sowie der ländlichen Gesellschaft, des sozialen Wandels oder der Stadtentwicklung. Vermehrt erscheinen Studien, die sich einzelnen Dörfern, ihrer Geschichte bzw. Sozialstruktur, widmen. Zahlreiche Untersuchungen konzentrieren sich auch auf den Prozess der Urbanisierung von Städten und Stadtteilen.
Genderfragen bilden ebenso ein wichtigen Forschungsgegenstand, insbesondere das Thema Frauen in der Türkei aber auch die Kinder- und Jugendsoziologie.
Ein Dauerbrenner bleibt die Lage der verschiedenen ethnischen Minderheiten in der Türkei, insbesondere der Kurden, der Armenier, Griechen, Tscherkessen, Lasen, Juden oder Assyrer. Hierzu kommen in den letzten Jahren Veröffentlichungen zur Lage der syrischen Flüchtlinge im Land. Vermehrt erscheinen auch Studien zu sozialwissenschaftlich oder historischen Themen die Minderheiten betreffend in den jewiligen lokalen Sprachen wie Kurdisch (Kurmandschi), Zazaki, Armenisch oder Judenspanisch (Ladino).
D) Kommunikation
Kommunikationswissenschaftliche Fragestellungen nehmen einen breiten Raum ein, vor allem die Themen Massenmedien, das Pressewesen, Fragen rund um den Komplex Kommunikation und Gesellschaft, die Rolle des Fernsehens und die wachsende Bedeutung der neuen elektronischen Medien.
E) Recht
Zu rechtlichen Themen erwirbt das FID in deutlich begrenzterem Maße. Hier liegt der Focus auf den Thematiken Menschenrechte, der Lage von politischen Gefangenen sowie Verfassungsfragen.
F) Wirtschaft
Auch hinsichtlich wirtschaftswissenschaftlicher Themen beschränkt sich die Erwerbung auf ausgewählte Themen wie die Landwirtschaft, das produzierende Gewerbe oder die Außenwirtschaftspolitik.
G) Kunst und Kultur
Die Sammlung weist zahlreiche Publikationen zur türkischen Architektur und Architekten auf. Hierbei spielen insbesondere Beiträge zur Geschichte der Architektur in der Türkei (Anfänge bis Gegenwart), speziell zur Geschichte der Sakralarchitektur (Anfänge bis Gegenwart) eine herausragende Rolle. In den letzten 15 Jahren erscheinen zudem vermehrt Abhandlungen zum Denkmalschutz oder auch Kulturinventare spezieller Regionen.
Einen nicht unerheblichen Anteil an unseren Erwerbungen zum Thema Kunst nehmen Veröffentlichungen zum Kino, dem türkischen Film und zu darstellenden Künstler/innen (Regisseure, Filmschauspieler/innen) ein. Daneben enthält die Sammlung auch Beiträge zur Musik, der modernen Malerei oder der Bildhauerei sowie dem Sport (insbesondere dem Fussball) aber auch der zeitgenössischen Philosophie. Zudem werden auch Publikationen zu traditionellem Kunsthandwerk wie etwa der Textilkunst erworben.
H) Bildung und Wissenschaft
Andere Publikationen widmen sich dem Bildungswesen allgemein oder der Geschichte der Wissenschaften aber auch spezifischeren Fragestellungen, etwa dem Hochschulsektor, der Rolle der Imam-Hatip-Schulen, der Dorfinstitute oder der sog. Halkevleri.
Zu anderen Themen wie der Archäologie, den Geowissenschaften oder der Medizin werden nur Abhandlungen erworben, die einen Landesbezug haben, d.h. spezielle türkische Charakteristika aufweisen.
I) Sprache und Literatur
In chronologischer Hinsicht beginnt die Hallesche Sammlung mit Studien zu älteren türkischen, d.h. vorosmanischen Sprachstufen sowie zur Literatur vor dem 14. Jh.
Die Bereich moderne türkische Sprache und Grammatik, türkische (und osmanische) Belletristik sowie türkische Literaturwissenschaft nehmen in Halle ein sehr breites Spektrum ein. Hier empfiehlt sich auch die Suche nach Subgenres, Literaturgattungen bzw. einzelnen Autor/innen in unserem OPAC, dem OPAC des GBV oder dem KVK.
Neben Veröffentlichungen zur türkischen Sprache und Literatur werden auch Publikationen zu Minderheitensprachen erworben, so z.B. zum Kurdischen (Kurmandschi), zum Zazaki oder dem Judenspanisch (Ladino). Überwiegend handelt es sich dabei um Belletristik: Kurdisch (Kurmandschi), Zazaki, Armenisch, Judenspanisch (Ladino).
Übrigens finden Sie weiterhin an der UB Tübingen all jene turkologischen Erwerbungen, die das Sondersammelgebiet Vorderer Orient einschl. Nordafrika bis 1997 getätigt hat. Aus Tübingen können Sie ältere fachspezifische Literatur über Fernleihe bestellen zu
- Religion im Osmanischen Reich und der Türkei
- Geschichte und Politik des Osmanischen Reichs und der Türkei
- Kultur und Kunst(geschichte) des Osmanischen Reichs und der Türkei
- Gesellschaft, Recht und Wirtschaft des Osmanischen Reichs und der Türkei
- Geographie und Landeskunde des Osmanischen Reichs und der Türkei
- Türkische und osmanische Sprache sowie türkische und osmanische Literatur
Erwerbungswünsche Ihrerseits sind uns jederzeit gerne willkommen!