Einleitung
Der FID hat die Mitglieder der Gesellschaft für Turkologie, Osmanistik und Türkeiforschung e.V. (GTOT) zur Transliteration bzw. Transkription des Osmanischen bei Handschriften und Archivmaterialien befragt.
Im Zeitraum von Oktober 2020 bis Januar 2021 sind 33 vollständige Antworten eingegangen. In Hinblick auf das sehr spezielle Thema und die sehr diskursiv angelegte Umfrage ist dies eine gute Rückläuferquote.
Im Folgenden finden Sie eine Auswertung der Umfrageergebnisse. Wir bedanken uns bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern für die dargelegten Argumente.
Zusammenfassung
Aus der Umfrage sowie weiterer eingeholter Expertenmeinungen lässt sich ein eindeutiger Trend ermitteln. Mehrheitlich wird von den Teilnehmenden empfohlen, dass sich die Bibliotheken bei der Katalogisierung von osmanischen Handschriften an der Umschrift der İslam Ansiklopedisi orientieren.
Diese vereine arabistische wie auch turkologische Anforderungen an die Exaktheit und sei international bekannt, so dass insbesondere ein Austausch mit der türkischen Osmanistik nicht behindert werde.
Im Falle unklarer Vokalisierung kann auf das orthographische Regelwerk von Yeni Redhouse zurückgegriffen werden. Das betrifft z.B. den Umgang mit epenthetischen Vokalen wie bahis/bahs oder die Handhabung bei arabischen Artikeln.
Im Falle des İzafet wird angeregt, dieses nicht lautharmonisch anzupassen, sondern generell mit –i bzw. –yi wiederzugeben.
Zu entscheiden wäre noch, ob Vokallängung mit aufgesetztem Zirkumflex oder Macron zu kennzeichnen ist: â, î, û oder ā, ī, ū. Im deutschen Bibliothekswesen dominiert die Schreibung mit ā, ī, ū und es wäre zu empfehlen, dies beizubehalten. Da die Suche in Bibliothekskatalogen in der Regel über die Grundbuchstaben läuft, ist das Retrieval in beiden Fällen gesichert.
Quantitative Bewertung
Die Umfrage ließ eine Bewertung von bis zu 10 Punkten zu, wobei 10 für „sehr geeignet als Standard“ stand.
Argumente DMG-Umschrift
Pro
- Bei Titeln mit starkem arabischen Anteil geeignet, da Gemeinsamkeiten sichtbar gemacht werden können (einheitliche Transliteration)
- Exaktheit, klare Zuordnung der Umschriftzeichen
Contra
- Keine Internationalität; für deutsche Arabisten entwickelt (erfordert entsprechende Spezialisierung);
- trotz des Versuches Exaktheit herzustellen letztlich nationaler Sonderweg (nicht geeignet in Zeiten von Internationalem Austausch)
- Isolation (Unbrauchbar für Kommunikation mit türkischen Forscher*innen)
- Keine Berücksichtigung der türkisch/persischen Vokalisierung; Arabisierung der Vokalisation – für das Türkische ungeeignet
- Schreibung vieler Konsonanten weicht vom heutigen Türkisch stark ab
- Zu komplex, nicht geeignet für Katalogisierung
Argumente İslam Ansiklopedisi
Pro
- Verbreitung, Internationalität
- Sowohl Berücksichtigung des arabischen Alphabets als auch sinnvolle Vokalisierung
- Exaktheit (vereint Anforderungen der Arabistik wie der Turkologie)
- geeignet für das Osmanische wegen Nähe zum Türkeitürkischen
- Ursprünglich entwickelt für die Umschrift arabischer und persischer Termini
- Derzeit das am besten nutzbare System
Contra
- Schwächen in der Vokalisierung des Türkischen z.B. bei Schreibung des Ezafet, der Langvokale innerhalb eines Wortes – hier Standardisierung gewünscht
- unterschiedliche Handhabung bei arabischen Artikeln
- Transliterate arabischer und persischer Termini weichen zu stark vom Usus der Arabist*innen und Iranist*innen ab – zu starke Turkifizierung dieser Termini
- Diakritika könnten bei Datenaustausch hinderlich sein.
Argumente Yeni Redhouse
Pro
- Geeignet für die Vokalisierung in unklaren Fällen
- Leicht zugänglich, geeignet für Kataloge
- Nähe zum Türkischen
Contra
- Nicht geeignet für arabische und persische Termini, da nur Transkription und keine Transliteration
- Vokalisierung uneinheitlich, orientiert sich an Bearbeitungszeit, kein klares Referenzwerk
- Zu stark am modernen Türkisch orientiert, keine Berücksichtigung arabistischer belange bei älteren Titeln
Argumente Encyclopedia of Islam
Pro
- International verbreitet und bekannt
- Alle Arabischen Buchstaben werden mit exakten Umschriftzeichen wiedergegeben
Contra
- Aufgrund der englischen Aussprache Transliteration einiger arabischer Buchstaben durch zwei lateinische (mit Unterstrich) > verhindert Reversibilität bzw. Eindeutigkeit in der Suche (Suchmaschinen unterscheiden nicht zwischen sh und sh)
- Arabistische Umschrift einiger Konsonanten weicht von der osmanischen Aussprache stark ab
- Deutliche Abweichung vom Türkischen (hoher Einarbeitungsaufwand)
- Keine Regelung für „ğ“ und nasales „ñ“
- Bereits Unterschiede in der Anwendung zwischen EI2 und EI3
Argumente IJMES
Pro
- Internationalität, weite Verbreitung
Contra
- Zu starke Abhängigkeit von der englischen Aussprache
- Mangelnde Exaktheit; Inkonsequenzen bei mehreren arabischen Buchstaben (kef, ghain)
- Nur Transliterationstabelle, Kein Regelwerk, sondern Empfehlungen einer Zeitschrift
- somit Orientierung an İslam Ansiklopedisi möglich, aber nicht für Katalogisierung geeignet
- für Katalogisierung wäre İslam Ansiklopedisi vorzuziehen
Argumente ALA-Lc Romanization
Pro
- Nähe zum Türkeitürkischen
Contra
- Zu starke Abhängigkeit von der englischen Aussprache
- Ungenauigkeit, Inkonsequenz
- Schwer korrekt anzuwenden
- zu starke Tendenz osmanische Begriffe zu Türkeiturkifizieren (z.B. Auslautverhärtung)
- keine Reversibilität
Weitere Vorschläge
Korkut Buğdays Lehrbuch für das Osmanische
Buğday, Korkut M.:
Osmanisch : Einführung in die Grundlagen der Literatursprache / Korkut Bugday. – Wiesbaden : Harrassowitz, 1999. – XXI, 311 S. ; 24 cm
ISBN 3-447-04154-4
Pro:
Nähe zum Türkischen aber keine Konsonantenverhärtung und „itmek“ wird als e mit Punkt drüber: ėtmek transkribiert
Birnbaum
Eleazar Birnbaum, ‘The Transliteration of Ottoman Turkish for Library and General Purposes’, Journal of the American Oriental Society, 87.2 (1967), 122–56 <https://doi.org/10.2307/597394>.
Pro:
eineindeutige Transliteration nahe an der türkischen Orthographie, alle Ambiguitäten geregelt
ISO 233-2 (1993)
Transliteration arabischer Buchstaben in lateinische Buchstaben; Teil 2: Arabische Sprache; Vereinfachte Transliteration
Transliteration Bacqué-Grammont wie in Stelae
Pro:
Philologisch noch exakter als Birnbaum
Contra:
durch Hochstellungen mühselig herzustellen und bei Konversionen von Dateien wenig stabil
Allgemeine Hinweise von Umfrageteilnehmer*innen
İzafet
„Bei der İzafet ist zu überlegen, ob man die Unart, diese lautharmonisch anzupassen, nicht besser vermeiden sollte und stattdessen stets -i (bzw. -yi) schreiben sollte (also besser mevzu‘-i bahs als mevzu-u bahis). Der Umgang mit epenthetischen Vokalen (bahs/bahis, şehir/şehr) muss ebenfalls geregelt werden.“
Ohne Übermaß an diakritischen Zeichen
„Persönlich nutze ich meist keine Transliteration, sondern eine Transkription, die sich an der Praxis in der neuen İslâm Ansiklopedisi orientiert. Ich habe bei der Lektüre gerade historischer Fachartikel den Eindruck, dass viele Kolleg*innen ähnlich vorgehen, der Transkriptionstechnik aber oft eine gewisse Konsistenz fehlt. (Da nehme ich mich selbst nicht aus.)
Grundsätzlich begrüße ich vor allem Lesbarkeit – und Schriftsysteme, die ohne ein Übermaß an diakritischen Zeichen auskommen und dadurch digital in vielen Formaten darstellbar, durchsuchbar und auch von Studierenden/Fachfremden ohne größere technischen Probleme eingebbar sind.
Ein Fall hierbei ist die Vokallängung, die in fast allen genannten Umschriftsystemen durch den horizontalen Strich über dem Vokal dargestellt wird, was mühsamer ist und m.E. keinen klaren Vorteil vor der Variante â, î, û mit sich bringt. Der Zirkumflex hat den Vorteil, dass er in jeder Tastatur einfach einzugeben ist und der Schreibung im Türkeitürkischen ähnelt.
Gerade für zentrale Datenbanken ist natürlich eine klare transliterative Zuordnung unerlässlich. Die Durchsuchbarkeit von allen möglichen Endgeräten muss jedoch im 21. Jahrhundert ebenso gewährleistet sein.“
Transkription entsprechend der Aussprache
DMG für Arabisch
İslâm Ansiklopedisi für Osmanisch
Bozorg Alavi für Persisch
„Grundsätzlich Transkription entsprechend Aussprache, ev. mit einigen ergänzenden diakritischen Zeichen aus DMG-Transliteration, um bei einigen Buchstaben die arabische Schreibweise nachvollziehbar zu machen und Verwechslungen bei Bedeutung zu vermeiden.“